Nachdem feststand, dass der Eurotunnel gebaut werden sollte, mussten sich die
Ingenieure um die Konstruktion neuer Hochgeschwindigkeitszüge kümmern. Eine Nachbestellung
von französischen TGV-Zügen oder Zügen aus England kam nicht in Frage, da der
Zug eine ganze Reihe von Bedingungen zu erfüllen hatte, um für den Einsatz von
Paris nach London gerüstet zu sein:
Der Zug muss drei verschiedene Stromsysteme sowie vier Signalsysteme verarbeiten
können. Die Einstiege haben sich an die verschieden hohen Bahnsteige anzupassen,
die auch unterschiedlich weit von den Schienen entfernt sind. Beim Bau des Eurostar
haben sich die Konstrukteure nach dem schmalen Lichtraumprofil Englands zu richten.
Neben den Stromabnehmern für den Einsatz in Frankreich und Belgien bedarf es Schleifschuhe
an den Drehgestellen, die in England den Strom von einer dritten Schiene neben
den Gleisen entnehmen.
Strenge Brandschutzauflagen für die Tunnelfahrt verlangten entsprechende Maßnahmen.
Ende Januar '93 konnte der erste Zug mit 7 Mittelwagen ausgeliefert werden. Auf
der Rennstrecke "Straßburg - Mülhausen" fanden mit dieser Garnitur ausgiebige
Tests statt. Im Mai folgte ein Testeinsatz mit einem 400 Meter langen Vollzug
auf der Neubaustrecke "LGV - Nord". Die ersten 300 km/h-Läufe begannen am 1. Juli.
Am 20. Juni 1993 zogen zwei französische Dieselloks den ersten Eurostar-Zug durch
den Kanaltunnel. In England durchlief die verkürzte Garnitur einige Probefahrten.
In Belgien und Frankreich fanden daraufhin weitere Versuchsfahrten mit mehreren
Zügen gleichzeitig statt. Die Betreibergesellschaft des Tunnels hatte mehrfach
Pannen hinnehmen müssen. Bei den Probefahrten blieben Eurostar-Züge wegen verschiedener
Defekte auf offener Strecke liegen. Ein weiteres Problem entstand in England durch
die Signalstromkreise. Diese störten die Leistungselektronik des Eurostar und
mussten deswegen alle ersetzt werden. Ausführlich getestet wurden der Übergang
von einem Stromsystem zum anderen, die Traktionsfähigkeit, die Lärmdämmung, Feuermelder
und Feuerbekämpfungsanlagen, die Kommunikation zwischen Zug und Kontrollzentrum,
die Signalsysteme und die Computer.
Am 6. Mai 1994 weihten Queen Elisabeth II. und Präsident F. Mitterrand die Eurostars
und den Kanaltunnel ein, jedoch erst am 14. November 1994 startete mit 15 Zügen
der kommerzielle Betrieb. Bereits am 23. Mai des darauffolgenden Jahres zählte
Eurostar den millionsten Fahrgast.
aus: www.hochgeschwindigkeitszuege.com